DANTE e.V. Frühjahrstagung 2015

Vom 16. bis 19. April 2015 findet gerade in der Fachhochschule Stralsund die Frühjahrstagung des DANTE e.V. statt. Das ist der Verein mit den Verdiensten um TeX für uns deutschsprachige Anwender.

Bis vor kurzem wusste ich nicht, ob ich es zur Tagung schaffe, der Arbeit wegen, doch es zeichnete sich noch Luft am Ende der Woche ab.

Am Donnerstag mittag konnte ich mich von der Arbeit lösen und fuhr mit dem Zug von Hamburg nach Stralsund. Da ich schon vor 18:00 Uhr ankam, konnte ich nach dem Abstellen meiner Sachen im Hotel zum Abendtreff gehen, ins Restaurant Bodega am Neuen Markt. Es waren wohl schon alle da, denn ich musste schon gut nach einem Eckchen Platz umschauen. Man bestellte sich was zum Essen, worauf man Lust hatte, plauderte ein Weilchen, um 21:00 Uhr gab es dann eine “Nachwächter”-Führung durch die Altstadt, wo fast alle Anwesenden mitgingen.

Am nächsten Morgen begann um 9:15 die 52. Mitgliederversammlung. Sie wurde von Herbert Voß eröffnet. Hier ging es zunächst um Vereins-Interna, wie Einnahmen und Ausgaben, um Wahlen, eine Änderung in der Satzung, sowie Teilnahme an Ereignissen wie Open-Source-Veranstaltungen und Projektförderungen.

 

In der Mittagspause wurde ein Gruppen-Foto gemacht. Anschließend lernte ich Elke Schubert persönlich kennen. Bislang kannten wir uns nur aus den TeX-Webforen und vom Matheplanet-Forum. Wieder zeigt sich eine Tagung als schöne Gelegenheit, sich einmal tatsächlich zu sehen. Und ich habe natürlich noch mehr kennengelernt sowie auch Bekannte wieder gesehen.

Das Nachmittags-Programm begann Martin Kraetke von der Firma le-tex. Er stellte das Programm docx2tex vor, eine Software zum Umwandeln von Word-Dokumenten nach LaTeX. Es ist ein Kommandozeilentool, was XML als Zwischenformat generiert und am Ende auch ein LaTeX-Dokument ausgibt. Anhand eines Beispiel-Dokuments demonstrierte er die Funktion und kam zu einem ansehnlichen Ergebnis.

Joachim Schrod erzählte im Anschluss, welche Services CTAN bereitstellt. Eine wesentliche Funktion besteht ja darin, als zentraler Server LaTeX-Pakete an ausgewählte Server zu verteilen, die wiederum ca. 200 Spiegel-Server versorgen, damit wir TeX-Distributions-Nutzer am Ende an Paketupdates gelangen. Das beinhaltet Herausforderungen wie Überwachen der Spiegel-Server und Aktualitätstests. Herz des Archivs ist der TeX Catalogue. Die Pflege von Paketen und ihren Meta-Daten ist eine arbeitsaufwändige und unverzichtbare Grundlage des Archivs. Neben eingehender Spiegelung laufen dann noch Dienste wie Webserver, Wikis und Mailinglisten u.a. für Upload-Management und insbesondere für den Betrieb von DANTE.de.

In der folgenden Kaffee-Pause gab es sehr leckeren Kuchen im Nachbarraum. Und natürlich interessante Gespräche an den Stehtischen. So unterhielt ich mich mit Rainhard Kotucha, den ich zuerst auf der TUG 2011 in Kerala, Indien, kennenlente, über TeX Workflows, z.B. auch bei einem LaTeX-Quellformat die Erzeugung von XML als Referenzgrundlage, aus der TeX generiert wird. Reinhard sah ich auch Fotos von der Tagung machen, sowie Christina und andere, da wird man einige Bilder später sehen können. Mit Martin Schröder diskutierte ich über das denkbare Geschäftsmodell von Stack Exchange. Er konnte sich keins recht vorstellen, und so geht es vermutlich den meisten. Auch ich sehe nur, dass jetzt 70 Millionen an Venture Capital bei Stack Exchange liegen, da es schon einige Invest-Runden gab, und dass zumindest unserer Wahrnehmung nach (noch) nicht sehr viel Geld verdient wird. Nach dem, was man offiziell liest, verdient man mit dezenter Werbeschaltung sowie der Stack Exchange Careers-Seite, einem Job-Portal. Wir können weiterhin gespannt sein, wohin sich diese kommerzielle Frage-Antwort-Seite entwickelt, wenn es vielleicht richtig Geld verdienen will. Mehr Werbung oder weniger? Abo-Modell mit Bezahlschranke? Selektion von Themengebieten nach Popularität und Einnahmen? Aufgekauft werden? Ähnlich weiter wie bisher?

Weiterhin gibt es die nichtkommerziellen TeX-Foren. Keine Werbung, klar begrenzte Serverkosten, keine bezahlten Community-Manager sondern ehrenamtliche Moderatoren, keine Schar an Designern, Programmierern, Administratoren, Marketing, Controlling und Verwaltung. Administrieren und programmieren macht ein TeX-Freund (derzeit ich 🙂 ) in der Freizeit. Morgens beim Thema Projektförderung in der Vereins-Versammlung habe ich kurz die von mir betreuten TeX-Foren und -Webseiten vorgestellt und fragte nach der Möglichkeit einer Sachmittelförderung durch DANTE für den Serverbetrieb. Das wird sich der Vorstand dann mal ansehen.

Doch über die Kaffeepause hinweg bin ich nun abgeschweift. Nach der Pause stellte Till Tantau sein Grafikpaket TikZ vor. Das ist das Frontend zur von ihm seit über zehn Jahren entwickelten Grafiksprache PGF. Das steht für portable graphics format. Tatsächlich funktioniert das mit allen TeX-Engines (pdfTeX, XeTeX, LuaTeX, ConTeXt, TeX im DVI-Modus), was den unkomplizierten und flexiblen Einsatz ermöglicht und eine Grundlage dessen Erfolgs ist. Das ebenfalls hervorragende PSTricks hingegen hatte es schwerer, als pdfTeX dominierte und der Weg über PostScript noch eine Hürde war, was heute kein Aufwand mehr ist. Der andere große Pluspunkt ist meines Erachtens der Komfort der Beschreibungssprache TikZ für den Anwender.

Für die Entwicklung von TikZ erhielt Till Tantau zusammen mit den Co-Entwicklern Vedran Miletić, Mark Wibrow und Joseph Wright in diesem Jahr den Ehrenpreis von DANTE e.V.

Doch zurück zu Tills Vortrag. Er zeigte zunächst, dass auch das riesige TikZ-Paket mit heute 4080 Dateien und 1165 Seiten Handbuch einmal klein anfing, mit 22 Dateien und 27 Seiten Beschreibung. Das war die Version 0.62 für 10 Bilder in seiner Promotionsarbeit.

Dann zeigte griff er drei ganz besondere Punkte seines Pakets auf. Zum einen zeigte er, was für Liebe im Detail in Pfeilspitzen steckt, die nicht nur an vielen Stellschrauben justierbar sind, sondern sich sogar automatisch mitbiegen können, wenn eine Kante gebogen wird.

Dann demonstrierte er die automatische Erzeugung von Graphen: man gibt Knoten vor und Kantenbeziehungen, und wünscht sich bestimmte Eigenschaften, dann  baut der Computer einen Baum oder einen Graphen ohne Überlappungen, mit minimierten Überschneidungen, maximaler Symmetrie, geringen Abweichungen der Kantenlängen von einer Vorgabelänge sowie minimaler Varianz der Winkel. Das gibt ein dem Auge gefälliges Erscheinungsbild, und wir wollen ja gerade visuell optimal verarbeitbare Grafiken.

Die entstehenden Graphen können wir noch mehr bestimmen: sei es Formvorgaben, kraftbasiert durch Kanten, die wie Sprungfedern eingestellt sind und auf Druck und Zug reagieren, Knoten mit Ladungen, die sich abstoßen können, Gravitation “wichtiger” Koten, Magnetismus für Ausrichtenstendenz an gewissen Linien. Am Ende lassen wir diese an sich bewegliche Schar Knoten und Kanten einfach los und schauen mal, was sich für ein Gleichgewichtszustand nach unseren Forderungen einpegelt. Klingt kompliziert, ist aber eine coole Sache: wir haben eine Vielzahl gewisser Knotenbeziehungen und geben ein paar sinnvolle innere Eigenschaften vor, und uns wird ein brauchbarer Graph vorgelegt, der nach sich nach unseren logischen inneren Vorgaben richtet.

Wir verheiraten hier drei Sprachen: LaTeX für das Dokument, TikZ für die Grafik, und eine DOT-ähnliche Sprache für das Beschreiben der Grafiken mit knapper und guter Syntax. In den Topf kommt noch Lua für die Programmierung der Algorithmen, da TeX sich an der Stelle nicht eignet. Das muss braucht man nur wissen, denn für solche Graphen sollte man mit Lua(La)TeX übersetzen.

Dominik wollte später noch wissen, warum für TikZ Graph-Algorithmen in Lua implementiert wurden, statt bestehende Bibliotheken zu verwenden, wie die von GraphViz. Man könnte die ja extern aufrufen. Die Graphenerzeugung passiert ja mitten im TeX-Lauf, mit zur Laufzeit entstehenden Größen und Inhalten der Knoten. Und Till Tantau erläuterte, dass es durchaus problematisch ist, etwa C++ Klassenobjekte für diese Bibliotheken zu erzeugen und zu übergeben und das Resultat weiterzuverwenden. Eine direkte Implementierung ist daher naheliegend, und es vermeidet Abhängigkeiten. LuaTeX genügt, man muss keine C++-Bibliotheken auf verschiedensten Systemen zum Laufen bringen.

Wenn ich schon soviel über den Vortrag erzähle, dann nenne ich auch den dritten Punkt: Till verwendete eine PDF-Schattierungs-Funktion, um eine skalierbare Mandelbrot-Menge zu erzeugen. Ungewohnt von einer PDF als einer recht starren Seitenbeschreibungssprache, die nicht in so iterativ oder rekursiv berechnen kann wie PostScript.

Mich hatte noch interessiert, was man für die nahe Zukunft an Neuigkeiten von TikZ erwarten kann. Natürlich kann man da nichts voraussagen, da alles von Zeit und Interessen abhängt, doch Till Tantau zeigte sich schonmal interessiert an der Nutzung von SVG als möglicherweise einst zusätzlichem Ausgabeformat. Das Format ermöglicht beispielsweise Animationen und ist sehr portabel. Jeder Webbrowser kann das ja.

Den letzten Vortrag für heute hielt Uwe Ziegenhagen, über den Org Mode von emacs. Dieser verwandelt Emacs in ein Tool zum Entwerfen von Texten (Outlining), zum Sammeln von Notizen, Erstellen von ToDo-Listen und zur Projektplanung. Ausgegeben werden kann dann in verschiedene Formate: LaTeX, ODT, HTML oder DocBook beispielsweise. Uwe erklärte die Installation und führte die Verwendung anhand eines Beispiel-Dokuments durch. Zuletzt erklärte er, wie man den Export konfigurieren kann, beispielsweise welche LaTeX-Pakete verwendet werden und welche Makros zugeordnet werden.

Nach so viel im Hörsal verbrachter Zeit gingen einige von uns zu Fuß zurück von der Fachhochschule in die Altstadt. Das war ein netter fast einstündiger Marsch am Wasser entlang, bei sehr schönem sonnigen jedoch kühlen Wetter. Auch wieder eine angenehme Gelegenheit, wo ich mich mit Elke und Karin unterhalten konnte.

Einige von uns hatten sich auch im “Hotel zur Post” niedergelassen, weshalb wir uns gleich fürs Wiedertreffen zum Tagungsessen am Hotelausgang verabredeten. Es waren Tische im “Goldenen Löwen” am Alten Markt reserviert, einen kleinen Spaziergang durch die Alststadt entfernt von unserem Hotel. Dort gab es erst ein Süppchen an den Platz, dann Essen von einem sehr reichhaltigen und sehr guten Büffet.

Bei guten Gesprächen ging der Abend schnell herum, nach Mitternacht lief ich mit dem verbliebenen Grüppchen zurück ins Hotel.

Mein Zug fuhr schon heute Morgen gen Süden, so dass meine Teilnahme recht kurz blieb. Doch es war ein schönes Erlebnis, und der Ausschnitt mir gab einen Blick auf eine sehr gut organisierte und durchgeführte DANTE-Tagung.

19. April 2015 von Stefan Kottwitz
Kategorien: DANTE | 3 Kommentare

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